Eine Prise Mutterliebe
Als Elisabeth Grabmer im Jänner dieses Jahres bei der MICHELIN Guide Ceremony im Hangar 7 in Salzburg mit einem MICHELIN Stern ausgezeichnet wurde, konnte sie sich der einen oder anderen Freudenträne nicht erwehren. Zum einen, weil sie diese Auszeichnung gemeinsam mit ihrem Sohn Clemens erkocht hat, der sich mit ihr die Funktion der Küchenleitung im familieneigenen Betrieb Waldschänke in Grieskirchen teilt. Zum anderen, weil sie den MICHELIN Stern auch schon von 2007 bis 2009 erhalten hatte und die neuerliche Auszeichnung sehr viel über ihre Passion und ihr Lebenswerk aussagt.

„Unser Verhältnis ist von großem Respekt und Wertschätzung getragen, jeder hat seine Verantwortung und Bereiche, und natürlich ist immer auch eine Prise Mutterliebe im Spiel“, erklärt Elisabeth Grabmer ihr Erfolgsrezept der innerfamiliären Zusammenarbeit. „Ich profitiere stark von Clemens, weil er moderne Kochtechniken und neue Kreativität in unsere Küche gebracht hat“, würdigt sie die Innovationskraft der jungen Generation: „So sind wir gemeinsam besser und besser geworden. Der MICHELIN Stern krönt diese Entwicklung.“
Ihre Entwicklung hätte wahrscheinlich nicht diesen erfolgreichen Weg genommen, wenn sie nicht mit Ehemann und Restaurantleiter Heinz Grabmer im familieneigenen Unternehmen tätig gewesen wäre. „Als meine Kinder noch klein waren, hat immer die Schwiegermutter bei der Betreuung ausgeholfen. So konnte ich mich während der Arbeitszeit voll auf meinen Beruf konzentrieren. Anders kann man nicht erfolgreich sein. Mit halber Kraft kommt man nicht ans Ziel“, so Grabmer, die ihren Beruf und Familienglück unter eine Kochmütze bringen konnte. „Wenn der Betrieb geschlossen hatte, haben wir die Zeit mit den Kindern umso intensiver genutzt.“
Wilde Weiber im Bregenzerwald
Franziska Hiller wurde als Küchenchefin des Schwanen in Bizau im Bregenzerwald mit dem Grünen Stern und dem Bib Gourmand ausgezeichnet. Die Basis dafür hatte sie bereits vor mehr als 20 Jahren gelegt, als sie mit Antonia Moosbrugger, der damaligen Küchenchefin und Chefin des Hotels, einen Vortrag über die Ernährungslehre der mittelalterlichen Ordensfrau Hildegard von Bingen besucht hatte. Saisonal, regional, bekömmlich, Nahrung für Seele und Körper sollte das Essen sein, so das Credo. Die beiden krempelten den Küchenstil um und orientierten sich fortan an diesem kulinarischen Weltbild. In der adaptierten Umsetzung im Bio-Hotel Schwanen wurde daraus die „Wilde Weiber Küche“. „Das war schon ein radikaler Schritt damals“, erinnert sich Franziska Hiller lächelnd an die Reaktionen von wohlwollenden Freunden, die damals meinten. „Wenn ihr euch so kochen trauts, dann seid ihr echt wilde Weiber“. Diese Bezeichnung wurde zum Synonym einer konsequent pflanzenbasierten Küche, in der Fleisch auf der Speisekarte eine Nebenrolle spielt. Damals, ungleich mehr als heute, stand das für einen typisch weiblichen Zugang zu gediegener Hotelküche.
Wichtige Zutaten der „Wilde WeiberKüche“ kommen seit vielen Jahren aus dem Hausgarten: Kräuter aller Art, Kohl, Pak Choi, Beeren, Obst und vieles mehr. Wichtiger Backup ist der Biogemüse-Pionier Vetterhof in Lustenau „Unser Garten und die Felder des Vetterhofs geben vor, was auf der Speisekarte steht“, beschreibt Franziska Hiller ihr Konzept. „Im Einklang mit der Natur zu arbeiten ist weder weiblich noch männlich, das ist einfach nur vernünftig.“
Vorbild 3-Sterne-Köchin Elena Arzak
Theresia Palmetzhofer zählt zu den Top-Female Chefs Österreichs. Ihr Gasthof zur Palme in Neuhofen an der Ybbs wurde in diesem Jahr vom Guide MICHELIN empfohlen und gehört somit zu den 338 besten Restaurants des Landes.
Das Küchenhandwerk lernte sie zunächst bei ihrer Mutter, bevor sie an großen Adressen wertvolle Erfahrungen sammelte. Prägend war die Zeit bei 2-Sterne-Koch Konstantin Filippou, der damals noch im Restaurant Novelli in Wien tätig war und erstmals mit einem MICHELIN Stern ausgezeichnet wurde. Im a|o|c in Kopenhagen und bei Elena Arzak in San Sebastian holte sie sich die Inspiration für höhere Aufgaben. 2016 entschied sie sich, das Gasthaus ihrer Eltern zu übernehmen und erarbeitete sich mit modern interpretierter regionaler Küche einen hervorragenden Ruf. „Mein Gasthaus ist mein Baby“, beantwortet sie die Frage nach der Vereinbarkeit von Erfolg im Beruf und Familie. „Um einen Betrieb führen zu können, braucht man enormes Durchhaltevermögen und darf sich nicht von Rückschlägen abschrecken lassen.“ Junge Frauen trauen sich das oft nicht zu, auch weil es im Umfeld keine weiblichen Vorbilder in der Branche gibt, so Theresia Palmetzhofer. Ihr Rat für junge KöchInnen lautet: „Beruflich auf Wanderschaft gehen und möglichst viele Erfahrungen sammeln. Das inspiriert und bildet. Mit Lisl Wagner-Bacher, Johanna Maier und Elena Arzak hatte ich Vorbilder und mit der Übernahme des elterlichen Betriebs ein fixes Ziel“.

Weiblicher Führungsstil
Einen ähnlichen Weg ging auch die junge Kärntnerin Verena Stattmann, die als Küchenchefin der Austria Stuben im Gourmet & Wine Hotel Austria in Obergurgl mit einem Stern ausgezeichnet wurde. Sie startete ihre Laufbahn in den renommierten Kärntner Restaurants Bärenwirt in Hermagor und Das Löwenzahn in Weissensee. 2019 wechselte sie als Souschefin ins Gourmet & Wine Hotel Austria und avancierte im Sommer 2023 zur Küchenchefin. Nun führt sie dort ein junges Team von bis zu 15 Köchinnen und Köchen und ist für das leibliche Wohl von bis zu 280 Hotelgästen verantwortlich: „Das ist schon ein stressiger Job, aber das war von klein auf mein Ziel“, sieht Verena Stattmann ihre Zielstrebigkeit belohnt. Ihren Führungsstil beschreibt sie als „klar und direkt, aber immer menschlich. Es gibt für mein Team immer Zeit, Fragen zu stellen und ich liebe es Input zu geben. Ich will niemanden verändern. Ich bin überzeugt, dass es am besten ist, wenn jeder Spielraum für seine Entwicklung bekommt. So profitieren wir im Team am besten voneinander. “Die Auszeichnung öffnete für Verena Stattmann einige Türen. Auf der größten Gastro-Fachmesse Österreichs stand sie im Mai erstmals als Speaker auf der Bühne. „Jetzt bin ich dort, wo ich hinwollte.“


Gemeinsam sind wir stärker
Für Raphaela Wirrer war das Interalpen Hotel Tyrol mit dem Interalpen – Chef’s Table (1 MICHELIN Stern) bei Telfs die wohl wichtigste Station ihrer Karriere. Hier stieg sie in vier Jahren von der Commis Patissière zur Chef Patissière auf. Das war auch das Rüstzeug für zwei Jahre in dieser Funktion im 1-Key-Hotel Tannenhof in St. Anton am Arlberg, dessen Gourmetrestaurant 2025 mit zwei Sternen ausgezeichnet worden ist. Hier lernte sie auch ihren jetzigen Lebensgefährten Jonathan Burger kennen, mit dem sie nach dem Tannenhof zwei Jahre lang nach Neuseeland übersiedelte und dort mit ihm als Team in diversen Betrieben gemeinsam kochte. Zurück in Österreich landete das Koch-Patisserie-Duo im Fine Hotel & Restaurant Hirschen in Schwarzenberg im Bregenzer Wald. „Uns gibt es nur im Doppelpack“, schmunzelt sie. „Diese enge Zusammenarbeit war anfänglich nicht immer einfach, aber wir haben uns perfekt zusammengerauft. Nun verstehen wir uns blind und sind als Team sehr, sehr stark.“ Den gleichen Beruf auszuüben wie der Lebensgefährte, macht vieles einfacher in der Organisation von Beruf und Freizeit. Für beide hat verantwortungsvolle Gastronomie einen hohen Stellenwert. Im Hirschen, der mit dem Grünen Stern ausgezeichnet wurde, hat Raphaela mit Jonathan, der hier als Küchenchef tätig ist, nun den perfekten Platz gefunden. „Es fühlt sich so an, als ob wir nach einer langen Reise ans Ziel gekommen sind. Man muss in dieser Branche vieles ausprobieren, um sich selbst besser kennenzulernen. Nicht jeder Tag ist ein Zuckerschlecken. Genau deshalb schmeckt der Erfolg dann umso süßer“, zieht Raphaela ein Resümee und würde alles wieder so machen. „Auf diesem Weg wächst man stetig und wird so zu Dingen fähig, die man sich am Anfang nie zugetraut hätte. Darauf bin ich schon stolz. Als Patissière und als Mensch!“Fünf Restaurants, fünf leidenschaftliche Chefinnen – wer hier Platz nimmt, bekommt mehr als gutes Essen – er taucht ein in Kulinarik, die inspiriert und berührt. Entdecken Sie, wie außergewöhnlich weibliche Kochkunst schmeckt.
An diesen Orten treffen Sie die fünf Top-Female Chefs:
Illustration Image: Chefin Franziska Hiller im Schwanen in Bizau © Rowitha Schneider
