Vom Weinberg ins Wirtshaus – eine Region mit Geschmack

Sagt Stephan Reinhardt, Reviewer von Robert Parker Wine Advocate, über die Region.

Straden: Krispels Genusstheater

Mitten im südoststeirischen Vulkanland hat die Familie Krispel ein Wirtshaus geschaffen, das Architektur, Wein und Kulinarik auf eigenständige Weise verbindet. In der lichtdurchfluteten Halle mit rustikalen und modernen Elementen trifft man auf eine klare Tischkultur und einen der schönsten Innenhöfe der Region – samt Bühne, Basaltstein und Blick auf die Küche. Die Küche von Daniel Weißer setzt auf Sorgfalt, Handwerk und besten Produktbezug: etwa bei der Consommé vom Bio-Wollschwein mit dreierlei Einlage oder im Dessert mit Rhabarber, Ziegenkäse, Estragon und weißer Schokolade. Mit der Veranstaltungsreihe „Vermessung der Sau“ rückt die Familie nicht nur das eigene Wollschwein, sondern auch das Metzgerhandwerk in den Mittelpunkt – ein Ansatz, der beispielhaft für die werteorientierte Küche vieler Bib-Gourmand-Adressen in der Steiermark steht. Die Weinkarte ist erwartungsgemäß stark – die Handschrift des angeschlossenen Weinguts zieht sich durch das gesamte Angebot.

Fehring: Malerwinkl

Der Malerwinkl in Fehring ist mehr als ein gutes Wirtshaus – er ist ein Gesamtkunstwerk. Im Garten stehen Skulpturen von Peter Troißinger senior, der einst als Koch begann und heute als Bildhauer und Maler die Atmosphäre des Hauses sichtbar prägt. Sein Sohn, Peter Troißinger junior, führt die Küche mit einer kreativen Interpretation steirischer Wirtshausküche: produktnah, präzise, mit klarem Bezug zur Region. Die geschmorte Weizer Lammschulter mit Rüben, Stangensellerie und würziger Topfenschnitte steht exemplarisch für diese Handschrift. Gegessen wird im charmant verschachtelten Gastraum, im lichtdurchfluteten Wintergarten oder auf der Terrasse mit Blick in den Skulpturengarten. Wer bleiben will, kann im angeschlossenen Kunsthotel übernachten – zehn individuell gestaltete Zimmer und eine Ferienwohnung machen das möglich. Wein und Produkte aus der Region gibt es nicht nur im Glas, sondern auch zum Mitnehmen in der hauseigenen Vinothek.

Fehring: Lilli Wirtshaus

In Fehring, wo sich die sanfte Landschaft des Vulkanlands mit der kulinarischen Substanz der Region verbindet, zeigt sich im Lilli Wirtshaus, wie zeitgemäß ein Wirtshaus heute sein kann. Küchenchef Walter Triebl steht für eine produktnahe, fein komponierte Küche, die mittags und abends in bodenständig-moderner Form serviert wird – etwa gebackene Hühnerleber mit Erdäpfel-Vogerlsalat und Preiselbeerdressing. Zusätzlich wird abends ein Fine-Dining-Menü angeboten, das mit Gerichten wie Amur Karpfen mit Kürbis, Kernöl und Kraut überrascht. Natürlich stammt auch in der Weinbegleitung vieles aus der Steiermark!
„Wer erstklassig am Boden steht, hat mehr Spaß bei kulinarischen Höhenflügen“, heißt es im Lilli – und das trifft den Anspruch des Hauses: Zugänglichkeit auf hohem Niveau, getragen von Wertschätzung, Haltung und einem jungen, offenen Zugang zur steirischen Wirtshauskultur.

Graz: Mohrenwirt

Graz ist nicht nur Landeshauptstadt, sondern auch kulinarischer Knotenpunkt der Steiermark. Wer hier im Mohrenwirt einkehrt, versteht schnell, warum. Das traditionsreiche Altstadt-Wirtshaus liegt zwischen Kunsthaus und Mariahilfer Kirche – und ist für viele längst ein Lieblingslokal geworden. Romana Maria Pieber und Lukas Lepsic stehen für eine Küche, die Bio, Regionalität und Nachhaltigkeit mit klassischem Wirtshauscharakter verbindet. Die Gastgeber sind herzlich, das Ambiente modern-rustikal. Auf den Tisch kommt etwa das Bio-Backhendl im Körberl mit Petersilienerdäpfeln oder das Sugo vom Bio-Lamm mit Melanzani, Polenta, Schafsjoghurt und Salzzitrone.
„Reinkommen, wohlfühlen & ehrlich essen“ – der Slogan bringt die Philosophie auf den Punkt. Samstags ergänzt gekochtes Bio-Rind im Kupferpfandl das Angebot. Die kleine Nachmittagskarte von 14 bis 17 Uhr rundet das Konzept ab – bodenständig, stimmig, städtisch verwurzelt.

Leibnitz: Schlosskeller Wirtshaus

Am Seggauberg oberhalb von Leibnitz liegt das Schlosskeller Wirtshaus – eingebettet in eine Landschaft aus Weinbergen und Wäldern, mit weitem Blick über die Südsteiermark. Die holzgetäfelte Gaststube, die großzügige Terrasse und der lichtdurchflutete Gastraum schaffen ein Ambiente, das sowohl vertraut als auch offen wirkt. Markus Rath kocht eine regionale, saisonal geprägte Wirtshausküche mit klassischem Fundament und modernen Akzenten. Backhenderl und Grammelknödel stehen ebenso auf der Karte wie ein wechselndes, mehrgängiges Sharing-Menü an ausgewählten Tagen. Im gleichen Haus befindet sich auch seine Schlosskeller Gourmetstube, ausgezeichnet mit einem MICHELIN Stern.

Judith Kern, Gastgeberin und Restaurantleiterin, begleitet durch den Abend – ihre Weinempfehlungen stammen oft direkt aus der Umgebung. Die enge Zusammenarbeit mit Produzenten und Winzern der Region ist ebenso Teil des Konzepts wie die Verbundenheit mit dem Ort. Zum Abschluss empfiehlt sich ein Klassiker: die Marillenknödel.

Sankt Veit am Vogau: Gasthaus Thaller

Im traditionsreichen Haus der Familie Thaller – vis-à-vis der Pfarrkirche – ist der Mittag dem Gasthaus gewidmet, das als bodenständige Ergänzung zum abendlichen Gourmetrestaurant dient. Norbert Thaller steht hier selbst am Holzherd, gekocht wird mit Zutaten in Bio-Qualität, viele davon aus dem eigenen Garten oder dem angrenzenden Fischteich.

Das Gasthaus folgt einer Haltung, die nicht nur kulinarisch, sondern ethisch geprägt ist. „Bei uns gibt es seit 15 Jahren kein einziges Tier, das einen Schlachthof von innen gesehen hat“, sagt Norbert Thaller. Gekocht wird rustikaler als im Restaurant – aber ebenso konsequent nachhaltig. Gerichte wie Zander mit Schlangengurken, Topaz Apfel und Meyer Zitrone oder Erdäpfel-Gnocchi mit Eierschwammerl, Stradener Trüffel und Räucherkäse bringen die Region auf den Teller. Eine ganzheitlich nachhaltige Philosophie, die auch den Grünen MICHELIN Stern in die Restaurants der Thallers geholt hat.

Gastgeberin Manuela Thaller empfängt herzlich im Gastraum. Hier fließt die Steiermark in allen Adern – vom Produkt über die Haltung bis zur Atmosphäre.

Langenwang: Wirtshaus Krainer

Gelebte Wirtshauskultur in der Hochsteiermark: Im lichtdurchfluteten Wintergarten des Familienbetriebs serviert Andreas Krainer eine saisonale, regional geprägte Küche mit klassischem Fundament. Gerichte wie das „Krainer Gulasch“, Steaks vom Pöllauer Rind oder das „Mürztaler Fisch-Gröstl“ bringen Bodenständigkeit und Feinsinn zusammen. Die Küche orientiert sich am Prinzip „Wald und Heimat“ – mit sorgfältig ausgewählten Produkten aus der Umgebung, vom heimischen Fisch bis zum Gemüse. Die Atmosphäre: herzlich und einladend. Wer nachmittags einkehrt, freut sich auf ein hausgemachtes Kuchenbuffet aus der eigenen Patisserie. Ein Ort, der steirische Wirtshaustradition zeitgemäß fortschreibt. Das zweite Restaurant des gleichnamigen Hotels, das Restaurant Krainer, ist mit dem Grünen Stern ausgezeichnet.

Turnau: Wirtshaus Steirereck am Pogusch

Am Pogusch in der Hochsteiermark trifft gastronomische Vision auf gelebte Nachhaltigkeit. Das Wirtshaus ist Teil eines vielfach ausgezeichneten Gesamtkonzepts, das aus eigener Landwirtschaft schöpft: Schafe, Ziegen, Schweine, Hühner, über 500 essbare Pflanzen- und Obstsorten sowie eigenes Quellwasser bilden die Basis für eine regionale Küche mit Charakter.

„Die eigene, komplett nachhaltig ausgerichtete Landwirtschaft ist das Herz des Pogusch“, sagt Heinz Reitbauer, dessen Steirereck im Stadtpark in Wien mit drei MICHELIN Sternen ausgezeichnet ist. Die Zusammenarbeit zwischen beiden Betrieben ist sehr eng und auch das Bundesministerium für Klimaschutz hat das Steirereck als Pilotprojekt für Kreislaufwirtschaft gewürdigt – mit eigener Energieversorgung, Niedertemperatur-Heizkreis und selbst gewonnenem Quellwasser. Der Grüne MICHELIN Stern findet hier so ebenfalls einen Musterbetrieb für seine Selektion.

Mittwochs liegt der Fokus auf Garten, Feld und Wald, donnerstags auf Innereien, freitags auf Süßwasserfisch – samstags wird daraus ein kulinarischer Querschnitt. Ergänzt wird das Erlebnis durch die „Schankkuchl“, wo über offenem Feuer oder Dampf direkt am Gemeinschaftstisch gekocht wird. Die Atmosphäre reicht von gemütlich bis modern, die Terrasse bietet Ausblick ins Grüne – und wer länger bleiben will, findet Unterkünfte mit Charakter: von modernen Baumhäusern über umgebaute Ställe bis hin zum Glashaus mit Blick in die Natur.

Ligist: Wirtshaus Wörgötter

Mitten im Ortszentrum von Ligist steht ein traditionsreiches Haus, das seit Generationen von Familie Wörgötter geführt wird. Heute arbeitet mit Florian Wörgötter die dritte Generation an der Weiterentwicklung – gemeinsam mit Vater Mathias in der Küche und Mutter Renate sowie Lebensgefährtin Julia im Service.

Im Wirtshaus serviert man regionale Klassiker mit einem zeitgemäßen Dreh. Kalbsrahmbeuschel mit Semmelsouffléeschnitte und Kapernblatt oder Rehragout vom Mariazeller Wild mit Sauerrahmspätzle, Seitlingen und Rotkrautsalat zeigen die Verbindung von Handwerk, Herkunft und Saisonalität. Zum süßen Schluss passt der Topfen-Sauerrahmschmarren mit Schwarzbeeren und Vanilleeis – bodenständig, fein, ganz nah an der Region. Auch ein Gourmet-Restaurant ist Teil des kulinarischen Kosmos im selben Haus: Das Wörgötter – Fine Dining ist mit einem MICHELIN Stern ausgezeichnet.

Die Philosophie: Bewusstsein für den Ursprung, Offenheit für Neues – getragen von einem familiären Miteinander, das auch Mitarbeitende und Produzenten mit einbezieht. Ein Haus, das Geschichte hat und trotzdem täglich nach vorne blickt.

Wer durch die Steiermark reist, begegnet einer Gastronomie, die nicht inszeniert, sondern verankert ist – in der Landschaft, im Handwerk, in der Haltung ihrer Gastgeber. Hier entstehen Teller mit Kürbiskernöl, Streuobstsorten, Wild aus der Region oder Wollschwein aus eigener Zucht. Die Bib-Gourmand-Adressen dieser Auswahl spiegeln wider, wie viel Charakter es hat, Qualität nicht zu überhöhen, sondern einfach ernst zu nehmen.

Illustration Image:  Steiermark Landschaft © Przemysław Iciak / iStock, Schlosskeller Wirtshaus © Jörg Lehman