Kulinarischen Paradigmenwechsel
Andreas Herbst vom Restaurant dahoam by Andreas Herbst in Leogang im Salzburger Land lebt und arbeitet in einem kulinarischen Schlaraffenland. Seine Gemüse- und Obstlieferanten, allen voran der Biobetrieb Stechaubauer, versorgen ihn mit frischen Kostbarkeiten aus Beeten, Feldern und Folientunneln. Viele Grünflächen seines Hotels sind zudem auch der Lebensmittelproduktion gewidmet. Im Kräutergarten hegen und pflegen seine MitarbeiterInnen 80 Sorten. Lokale Sammler versorgen Hotel und Restaurant zudem mit Pilzen, Beeren und anderen Wildpflanzen. All diese Schätze werden entweder frisch verarbeitet oder eingelegt und fermentiert für die Wintersaison.
Damit ist Andreas Herbst in Österreichs Sternegastronomie keine Ausnahme, sondern eher die Regel. Die zumeist kleinstrukturierte Landwirtschaft hat sich als deren wichtigster Partner etabliert, wenn es um Zutaten für vegetarische oder vegane Küche geht.
„Die Nachfrage nach pflanzlichen Speisen hat in den letzten Jahren zweifellos zugenommen“, sieht Andreas Herbst einen kulinarischen Paradigmenwechsel in der Gastronomie. Im dahoam werden daher nicht nur mehr vegetarische Speisen angeboten, selbst bei Fleischgerichten nimmt die Dominanz des Fleisches zugunsten vegetarischer Komponenten ab. „Ich achte sehr auf die Ausgewogenheit zwischen fleischlich und pflanzlich im Rahmen eines Menüs. Das kommt gut an!“
Im A-la-carte-Restaurant bietet Andreas Herbst sein großes 8-Gänge-Menü auch rein vegetarisch an. Das Küchenteam ersucht der besseren Planbarkeit wegen, das vegetarische Menü zwei Tage vor dem Besuch zu reservieren. Im Hotel-Restaurant gibt es sogar täglich ein vegetarisches Menü. Etwa 15 Prozent seiner Hausgäste entscheiden sich dafür, die Tendenz ist weiter steigend.

Tian - Pioniere haben´s schwer
Als Paul Ivic als Küchenchef das Tian als erstes vegetarisches Top-Restaurant 2011 in Wien eröffnete, war er mit heftigem Gegenwind konfrontiert: „Viele haben gesagt, dass Spitzengastronomie ohne Fleisch nicht möglich sei, weil dieses Konzept zu wenige Menschen anspricht“, erinnert er sich, „und außerdem könne man davon nicht satt werden“. Es sollte ganz anders kommen.Ivic und sein Team erkochten sich vom Start weg eine treue Fangemeinschaft. Die Verleihung des ersten MICHELIN Sterns im Jahr 2014 war für Paul Ivic ein wichtiger Game Changer. „Diese Auszeichnung hat unser Konzept bestätigt und das Tian über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt gemacht.“
Der Unterschied zwischen vegan und vegetarisch im Tian ist fließend. Jedes Menü enthält auch vegane Gerichte. Selbstverständlich gibt es auch durchgängig vegane Menüs. Sie machen 15 Prozent aller bestellten Menüs aus. „Mir ist es wichtig zu zeigen, dass auch vegane Küche ein vollendetes Geschmackserlebnis ohne qualitative Abstriche bedeuten kann“, so Paul Ivic. Auch hält er den Co2-Abdruck seiner elaborierten Küche bewusst gering.
Oliver Mohl – Kulinarik trifft Mixologie
Seit 2020 sorgt die HAUSBAR Wien im Museum Albertina Modern in Wien für belebenden Wettbewerb in der vegetarischen Spitzengastronomie. Küchenchef Oliver Mohl, der zuvor an renommierten Adressen wie der portugiesischen Vila Joya, der Roten Wand in Zug am Arlberg und im New Yorker NoMad tätig war, kombiniert in seinem Restaurant pflanzenbasierte Menüs mit dazu abgestimmten Cocktails. „Wir bieten zwar optional bei einem Gang auch Fleisch oder Fisch an“, erklärt er, „aber der Kern unserer Küche ist klar vegetarisch. Viele Gäste wollen diese Erfahrung machen, lassen sich die Option Fleisch zumindest für einen Gang offen.“ Damit repräsentiert die Hausbar eine moderne Spielart des pflanzenbasierten Trends: ein Konzept, das Genuss mit Offenheit verbindet und so auch „eingefleischte“ Omnivoren ins Fach der leichten Küche abholt.

Josef Floh – Der Radius als Programm
Eine halbe Autostunde nördlich von Wien findet sich in Langenlebarn die biozertifizierte Gastwirtschaft Floh, einer der beliebtesten Betriebe in Ostösterreich. Hausherr Josef Floh verfolgt seit 2008 sein Prinzip „Radius 66“: Die Ziffer steht für die maximale Distanz von 66 Kilometern Entfernung seiner Lieferanten. An den Floh zu liefern, ist so etwas wie ein Ritterschlag für exzellente Grundprodukte. „Viele unserer Gäste essen bei uns bewusst vegetarisch, auch wenn sie keine Vegetarier sind. Sie schätzen die Qualität der Produkte, die wir regional beziehen und verarbeiten“, freut sich Josef Floh über diese Wertschätzung. Der Anteil pflanzenbasierter Gerichte ist seitdem stetig gewachsen – nicht als Dogma mit erhobenen Zeigefinder forciert, sondern eher als fließender Prozess, getragen von der Nachfrage. In seinen veganen Menüs verzichtet er auf Fleisch- oder Milchersatzprodukte, die er als „groben Unfug“ ablehnt. Im Herbst freuen sich seine Gäste auf zwei Klassiker der Floh-Küche: Einkornrisotto mit Deep-Purple-Karotten sowie Palmkohl oder Schwarzkohl mit Steinpilzen.

Peter Fankhauser – Permakultur als Fundament
Auch Peter Fankhauser zählt zu den Pionieren. Gemeinsam mit seiner Frau betreibt er in Stumm im Zillertal das vegetarisch-vegane Restaurant Guat z’Essen. Umgeben ist der Betrieb von einem Permakulturgarten, den Fankhauser nach dem Vorbild natürlicher Ökosysteme das ganze Jahr über bewirtschaftet. „Wir haben eine Samenbank mit 800 Kulturpflanzen, von denen wir jedes Jahr 200 bis 300 anbauen“, so sorgt er schon bei der Aussaat für eine bunte Durchmischung seiner Menüs, die hier „Gesamterlebnis“ heißen und auch den Besuch des Gartens zwischen den Gängen beinhaltet. 80 Prozent seiner Zutaten produziert er selbst, den Rest bezieht er regional und fast ausschließlich in Bioqualität. Fankhauser ist damit nicht nur Koch und Gastronom, sondern auch Landwirt. Das Guat z’Essen ist ein geschlossenes System, das maximale Transparenz der Lebensmittelherkunft bietet und eine unvergleichliche Individualität auf die Teller bringt.Andreas Mayer – Der Duft von Gemüse
Im Schloss Prielau am Zeller See, im Herzen des Pinzgaus im Salzburger Land, setzt Andreas Mayer seit zwei Jahrzehnten auf pflanzliche Vielfalt. Der gebürtige Bayer, der lange Zeit eng mit Eckart Witzigmann gearbeitet hat, widmet im MAYER’s Restaurant eines seiner zwei Menüs konkret dem „Duft von Gemüse“. So lautet auch der Titel seines letzten Kochbuchs, das ihm dazu als Inspiration diente. Bei manchen Gängen ergänzt Mayer die Aromatik seiner Gerichte durch selbst produzierte Parfüms aus Kräutern, Gemüsen oder Früchten, die am Tisch auf das Gericht aufgesprüht werden. Im Herbst kommt dabei etwa ein Parfüm aus Waldpilzen zum Einsatz. „Pflanzliche Küche ist unheimlich vielfältig. Ob man nun brät, dünstet, grillt oder frittiert. Jede Zubereitungsform bringt neue Aromen und Geschmäcker zur Geltung. Von uns Köchinnen und Köchen erfordert das enorme Kreativität und feine Technik, aber das ist ja auch unsere Aufgabe“, nimmt er diese Herausforderung lächelnd an. Der „Duft von Gemüse“ ist offenbar verlockend. Fast die Hälfte aller Menüs entfielen im Sommer 2025 auf die gediegene pflanzliche Küche Andreas Mayers.
Vitus Winkler – Zwischen Alpenkräutern und Sternenglanz
Mit zwei MICHELIN Sternen und dem Grünen Stern gehört Vitus Winkler zu den renommiertesten Köchen Österreichs. Sein Restaurant Kräuterreich by Vitus Winkler in St. Veit im Pongau trägt den Anspruch im Namen: Die alpine Natur mit ihrer Fülle an Pilzen, Kräutern, Beeren und Früchten ist Quelle seiner Inspiration. Rund 200 verschiedene Sorten sammelt Winkler höchstpersönlich pro Jahr selbst in den Tälern und Bergen seines Heimatortes. In seinem siebengängigen Menü finden sich oft nur zwei Gänge mit Fleisch oder Fisch – alle anderen sind pflanzlich. Für Fleisch und Fisch hat er auf Wunsch stets Alternativ-Gänge in Vorbereitung. „Es gibt Wochen, da sind die Hälfte aller Menüs rein vegetarisch. Dann stehen wochenweise wieder Innereien, Wild und Rindfleisch höher im Kurs“, erlebt er typische Schwankungen der Gästevorlieben. „Die pflanzliche Küche ist komplexer und verlangt mehr handwerkliches Geschick. Sie eröffnet auch in der Zubereitung mehr Möglichkeiten.“Mit diesem Ansatz gelingt es ihm, das Beste aus beiden Welten zu verbinden – alpine Tradition und zeitgemäße Nachhaltigkeit, Spitzengastronomie und bewusstes Essen.
Alle Restaurants auf der Landkarte:
Illustration Image: Gericht im Restaurant Guat z'Essen im Zillertal © Guat z'Essen
