Feature 3 Minuten 03 März 2023

Alexandre Mazzia und japanische Grüntees, eine Suche nach pflanzlichen und krautigen Aromen (AM, Marseille, Frankreich)

Seitdem das Restaurant AM von Alexandre Mazzia 2021 mit einem dritten Michelin-Stern ausgezeichnet wurde, pflegt der im Kongo geborene Wahl-Marseiller und auf fantasievolle Küche umgestiegene ehemalige Basketballer seine Leidenschaft für Japan und dessen Grüntees. Eine Reportage über einen raffinierten Menschen – stets auf der Suche nach neuen Geschmackserleb-nissen.

Der Platz der japanischen Grüntees in der Welt von Alexandre Mazzia

Alexandre Mazzia ist fleißig, fröhlich und seinem Team gegenüber stets aufmerksam wie ein Kapitän, der ständig auf Kurs bleibt. Es scheint, als ob japanische Tees den Koch beflügeln, der jeden Tag eine unglaubliche Vielfalt von Geschmacksnoten zusammenstellt und in seinem Kopf abspeichert, die auf Produkten aus der ganzen Welt beruhen.

Jeden Morgen sagt sich Chefkoch Alexandre Mazzia, „dass Wissen keine Grenzen kennt“. Der stets neugierige Koch entdeckte die japanischen Grüntees, als er acht Monate lang in Osaka und Kyoto für ein englisch-französisches Paar kochte, das mit den japanischen Bräuchen sehr vertraut war. Sein Lieblingstee ist der Genmaicha, den er besonders wegen seiner Röst- und Toast-Aromen schätzt. Der Liebhaber von Kontrasten und Kombinationen aus pflanzlichen, krautigen, süßen, säuerlichen, würzigen, geräucherten oder gebrannten Geschmacksnoten sucht in seiner relativ kleinen Küche, die von dem Saal mit 22 oder maximal 24 Gedecken einsehbar ist, stets nach den besten Geschmackskombinationen.

Denn seit er in Marseille sein eigenes gastronomisches Restaurant eröffnet hat, bemüht er sich, nicht etwa eine Speisekarte, sondern ein organisches und kreatives Menü zusammenzustellen, das seinesgleichen sucht und sich je nach Laune ändert, indem er mit Röstung, Räucherung und Induktion spielt. Der Gast braucht sich nur durch Drei-, Fünf- oder Sieben-Gänge-Menüs führen lassen, die durch Kreativität und Vielfalt beeindrucken.

Alexandre Mazzia weiß mehr als andere um die Bedeutung des Geschirrs, das in der japanischen Ästhetik eine besondere Rolle spielt. Er betont : „Das Geschirr ist von wesentlicher Bedeutung, denn es verleiht meinen Kreationen das nötige Relief.“ Der Chef-Sommelier Kevin Bardau wacht über die Teeschalen, die in breiten Schubladen aufbewahrt werden. Insgesamt haben sich seit der Eröffnung des Restaurants ungefähr 600 Stück angesammelt. Einige Teeschalen sind den drei japanischen Grüntees vorbehalten, die er im Laufe der Mahlzeit anbietet – und natürlich unterscheiden sich alle voneinander. Die Teesorte wird im Vorfeld im Einklang mit dem vom Koch zubereiteten Menü ausgewählt. „Bei allen Tees finde ich es wichtig, einen Dialog zu führen, da der eine auf den anderen verweist“, stellt Alexandre Mazzia fest und ist sich bewusst, dass der Gast die subtil aufeinander abgestimmten Geschmacksnoten des Gerichts und des Tees selbst findet. „Normalerweise probiert der Gast den Tee immer, bevor er den ersten Happen isst“, sagt er. Die Aromen des Tees kleiden den Gaumen aus und bilden so eine Grundlage für die Zutaten des Gerichts, das Zusammenspiel von Fisch, Saft, Gemüse und Gewürzen. „Dank des Tees behalten wir die Kontrolle über das kulinarische Geschmackserlebnis und es bleibt am Ende eine klare, greifbare Erinnerung zurück … Man erlebt keinen Rausch, in dem man, weil man ein bisschen zu viel Wein getrunken hat, denkt, dass es toll war, man aber letztendlich viele Dinge verpasst hat. Der Kunde hört uns mehr zu. Unsere gründliche Arbeit wird mehr geschätzt“, erklärt Alexandre Mazzia.

Moment des Servierens / Photo Florian Domergue
Moment des Servierens / Photo Florian Domergue
Die Bio-Tees der Marke Luciole

Die Grüntees der Marke Luciole aus Marseille, die für ihre strenge Auswahl von Utensilien und Manufakturprodukten bekannt ist, stammen aus Shizuoka auf der Insel Honshû. Die Verantwortlichen erklären: „Wir arbeiten mit einem Kleinbauern zusammen, und alle unsere japanischen Grüntees sind garantiert pestizidfrei. Das Unkraut wird nur durch schwarzköpfige Ziegen gejätet.“ Jeder Tee, der in Zusammenarbeit mit dem Team von Alexandre Mazzia ausgewählt wird, stammt aus biologischem Anbau. Auf diese Weise wird „eine unvergleichliche Frische garantiert, alle Tees werden luftdicht verpackt“. Die geernteten Teeblätter werden sofort dampfgetrocknet, um den Oxidationsprozess zu stoppen. „Durch diesen entscheidenden Schritt können alle frischen und frühlingshaften Aromen des Blattes bewahrt werden.“


Japanische Grüntees bei AM

Zuerst wurde ein Sencha Saemidori serviert, der Mitte April in der Umgebung von Uji geerntet wurde und für seine schöne bläulich-grüne Farbe nach dem Aufguss bekannt ist ; er wurde bei einer Temperatur von 70° und mit 1,5 Minuten Ziehzeit zubereitet. „Wir haben für jeden Tee eine Teekanne aus Glas gewählt“, erläutert Kevin Bardau, „um die Farbe und den Geschmack zu zeigen, aber auch, weil es unserem Selbstverständnis von Transparenz und Ästhetik entspricht.“ Dieser Tee besitzt ein pflanzliches und ein feines Meeresaroma. Im Mund entwickelt er ein sehr charakteristisches Umami-Gefühl und verleiht dem Aperitif mit Schwerpunkt auf Meeresprodukten (Forellenrogen und in Saké und geräucherter Milch mariniertem Wildlachs) Fluidität und erfrischende Noten.

Moment des Servierens / Photo : Florian Domergue
Moment des Servierens / Photo : Florian Domergue

Der zweite japanische Grüntee ist ein Bancha Hojicha mit kräftigen Röstnoten, die dem Körper Vitalität verleihen. Kein Wunder, dass der Chefkoch dazu einen Teller mit der Trilogie aus Miesmuscheln, Makrele und Hering mit Kokosnuss, Mojito-Sauce mit Estragon und grünem Saft, dezent krautig (wilde Diplotaxis-Rucola mit leichter Schärfe), Seespinnenfleisch, Orangenblütengrieß, Schalensaft und Meerrettich serviert. „Ein scharfes Gericht, aber es ist auch wichtig, etwas Leichtes zu haben, das ziemlich krautig sein kann – das einen Kontrast zum Tee bildet –, der gut zu Meeresprodukten passt“, kommentiert Alexandre Mazzia.

Gibt es auch Matcha-Tee ? Alexandre Mazzia hat mit dem 28-jährigen aus der Nähe von Padua stammenden Alessandro Moretto einen talentierten Konditor in sein Team geholt, der das Grünteepulver des japanischen Matcha mit großer Vorliebe als Gewürz verarbeitet. Er verwendet das Teepulver für die Zubereitung seines beliebten Desserts mit dem einfachen Namen „Eis aus Milchkonfitüre und Matcha-Grüntee“. „Wir haben mehrere Matcha-Sorten gemischt, bevor wir das Pulver sieben, um die gewünschte Körnung gegenüber der Milchkonfitüre zu erhalten“, erklärt er. „Dann stellten wir uns folgende Fragen: Wie wird der Tee auf die Kälte reagieren, wird er nicht zu klebrig, wird die Textur irgendwann zu sandig? Er sollte trotzdem weich bleiben und gut mit der Milchkonfitüre harmonieren, um eine fast karamellartige Textur zu erhalten, die leicht dehnbar ist.“

Alexandre Mazzia / Photo : Florian Domergue
Alexandre Mazzia / Photo : Florian Domergue

Alexandre Mazzia hat verschiedene Milchsorten ausprobiert, um eine perfekte Konfitüre zu erhalten: Vollmilch, fettarme Milch, Sojamilch, auch Reismilch. Das Ergebnis : „Es ist wichtig, die Reaktion des Matcha bei den verschiedenen Variationen zu beobachten, auch weil die Farbe sich je nach Temperatur verändert.“ Letztendlich entschied sich der Chefkoch für Vollmilch in Kombination mit süßer Kondensmilch. Das Ergebnis ist gelungen und optisch ansprechend, wenn man die grünen Kügelchen in kleinen Messinglöffeln betrachtet, die an Stängel, Fäden, Weinreben usw. erinnern. Diese „Löffel“ müssen bei der richtigen Temperatur, d. h. Raumtemperatur, serviert werden, damit sich die Harmonie von Matcha und Milchkonfitüre im Mund entfalten kann. Man genießt dieses Dessert dann „wie einen Bonbon“, wie der Chefkoch mit einem Genießer-Lächeln sagt ... Ein Bonbon, der auf der Zunge zergeht. Die Tatsache, dass der Chefkoch aus Marseille den japanischen Matcha hier wie ein Gewürz verarbeitet, täuscht natürlich nicht über die Anziehungskraft von Matcha als Getränk hinweg.

Das von Gastronomie-Kritikern und Gourmets hochgelobte Restaurant AM ist die ideale Adresse zum Kennenlernen der japanischen Grüntees unter der Leitung des erfahrenen und leidenschaftlichen Chefkochs Alexandre Mazzia.

Weitere Informationen : https://greentea-jfoodo.jetro.go.jp?utm_source=michelin&utm_medium=collab&utm_campaign=all&utm_content=article

Hero Image : Alexandre Mazzia / Photo : Florian Domergue

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