Wir Inspektoren arbeiten zwar auf der Seite des Gastes, in unseren Herzen gehören wir jedoch in Küche oder Service. Wir sind Handwerker und sprechen die Sprache von Gastronomen und Küchenchefs, denn fast alle von uns sind selbst Koch - mal mit Erfahrung aus Sternerestaurants, mal aus hervorragenden Landgasthöfen oder großen Küchenbrigaden der Luxushotellerie. Wer nicht Koch ist, hat als Restaurantleiter oder Servicekraft eng mit der Küche zusammengearbeitet.
Nun aber zur eigentlichen Geschichte.
Ich war während der Skisaison in St. Moritz, Schweiz, in dem italienischen Restaurant eines wunderbaren alteingesessenen Hotels essen. Die Servicekraft, die für meinen Tisch zuständig war, ein Italiener, war sehr eloquent, charmant und äußerst routiniert darin, das hochkarätige Klientel um mich herum zu umsorgen. Das Restaurant war sehr gut besucht, die Gäste sehr elegant. Der Kellner sprach mich den gesamten Abend mit „Dottore“ an. „Sehr gerne, Herr Dottore“ – „gute Wahl, Herr Dottore“ usw. usw. Wir Inspektoren reservieren zwar unsere Tische auf unterschiedliche Namen, einen Doktortitel hatte ich mir jedoch noch nie ausgedacht.
Nach einer Weile sagte ich höflich: „Das ist sehr freundlich, aber Sie müssen mich nicht immer mit Dottore ansprechen.“
Ich genoss gerade den Hauptgang, als der Herr vom Nebentisch sich zu mir herüberdrehte und sagte: „Entschuldigen Sie, ich habe Ihr Gespräch mit dem Kellner mitbekommen. Ich möchte Ihnen gerne mein Lob aussprechen. Schön, dass es auch noch demütige Doktoren gibt, die nicht immer und überall mit ihrem Titel angesprochen werden möchten!“
Am Ende des Abends verabschiedete sich der Herr vom Nebentisch von mir mit „Einen schönen Abend noch“ und flüsterte dann ganz leise „….Herr Doktor“ und nickte mir respektvoll zu.
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Illustration Image: Coifffe de diplômé © kadirkaba/istock, Variété de toques © iStock