Travel 3 Minuten 08 August 2025

Hotel Wilmina: Quiet Luxury im ehemaligen Frauengefängnis

Einblicke in das 1-Key-Hotel Wilmina in Berlin-Charlottenburg – und in eine Philosophie, die durchdachte Architektur, bewussten Genuss und verantwortungsvolle Zukunftsvisionen auf bemerkenswerte Weise miteinander verbindet.

Kantstraße in Berlin-Charlottenburg. Wer durch das schwere Eisentor in die Innenhöfe des Wilmina tritt, spürt schnell: Dieser Ort meint es anders. Ruhiger. Wärmer. Vielleicht auch ein wenig klüger. Was früher ein Frauengefängnis war, ist heute eines der faszinierendsten Hotels der Stadt – und eines, das auf ganz eigene Weise eine zukunftsorientierte Philosophie lebt. Nicht laut, nicht plakativ. Sondern als Haltung.

Wie es zu diesem außergewöhnlichen Ort kam und warum das Wilmina mehr ist als ein schönes Designhotel, erzählt unser Portrait hier: Inside Wilmina – das vielleicht spannendste Hotel Berlins.

“Der Gast soll einfach ankommen, sich wohlfühlen – und dann vielleicht merken: Hier ist irgendwas anders”, sagt Jannick Boehme, Hoteldirektor des 2022 eröffneten Wilmina. Tatsächlich ist fast alles anders. Angefangen bei der Entstehung.

Vom Gefängnis zum Refugium

Als Almut Grüntuch-Ernst und ihr Mann Armand Grüntuch die Anlage 2010 zum ersten Mal betraten, waren die Gebäude überwuchert, der Ort vergessen. Ein Investor hat Interesse, sieht aber kein Potential für den Ort und will am Ende nur Lagerräume daraus machen. Doch die Architekten verlieben sich in die Hotel-Idee. Statt Lagerzellen entsteht mit viel Geduld und Herzblut ein Ort, der Vergangenheit nicht verleugnet, sondern verwandelt. Ein Hotel, in dem die dunkle Geschichte lesbar bleibt – und das dennoch Leichtigkeit ausstrahlt.

Die Entscheidung, das Wilmina selbst zu betreiben, fällt bewusst gegen den Strom. Keine Hotelkette, keine standardisierte Gastlichkeit. Stattdessen ein familiengeführter Ort, der aus der eigenen Vision heraus wächst. “Es war von Anfang an kein Projekt für schnellen Profit”, erklärt Boehme. “Es ist etwas, das bleibt.”

Hinterhof Wilmina Hotel © Patricia Parinejad
Hinterhof Wilmina Hotel © Patricia Parinejad
Zimmer mit Gardenview  © Patricia Parinejad
Zimmer mit Gardenview © Patricia Parinejad

Bauen mit Bedacht

Dass das Wilmina im Eröffnungsjahr den Deutschen Nachhaltigkeitspreis Architektur gewonnen hat, überrascht nicht. Die Umnutzung von denkmalgeschütztem Bestand ist per se zukunftsorientiert – aber hier ging man weit darüber hinaus. Ehemalige Gefängnismauern wurden geöffnet, Tageslicht eingefangen, Grünflächen entbetoniert. Fenster, Türen, Ziegel: Alles, was man nicht mehr brauchte, wurde an anderer Stelle wiederverwendet. Sogar der Verbindungsbau zwischen Gerichts- und Gefängnistrakt besteht aus alten Steinen, die beim Umbau gewonnen wurden.

“Es war ein dialogischer Prozess”, erinnert sich Almut Grüntuch-Ernst. “Nach und nach entdeckten wir, was der Ort uns anbietet.” So entstand innerhalb von gut zehn Jahren ein Ort von Leichtigkeit, Gastlichkeit und zeitloser Klarheit.

“Man schläft mit offenem Fenster. Mitten in Berlin”
Bepflanzung im Innenhof © Slowdown Hotels, Mats Ramus
Bepflanzung im Innenhof © Slowdown Hotels, Mats Ramus
Bepflanzung im Hof IV © Le Guide MICHELIN
Bepflanzung im Hof IV © Le Guide MICHELIN

Zukunftsorientierter Komfort

Auch im Hotelbetrieb selbst wird das verantwortungsvolle Konzept nicht inszeniert, sondern gelebt. Die dicken Mauern und Bepflanzungen sorgen für ein angenehmes Raumklima, ohne dass in jedem Zimmer eine Klimaanlage installiert werden musste. Ein bewusster Verzicht, der Gästen ein besonderes Erlebnis schenkt, wie Jannick Boehme bestätigt: “Man schläft mit offenem Fenster und wird morgens vom Vogelgezwitscher geweckt.” Mitten in Berlin, wohlbemerkt!

Der Pool auf dem Dach? Nicht beheizt. Im Winter eiskalt, im Sommer erfrischend. “Natürlich hätten wir ihn beheizen können”, sagt Boehme. “Aber das wäre ein immenser Energieaufwand gewesen.” Stattdessen lädt die Sauna zum Aufwärmen ein – und der Mut zum kalten Wasser belohnt mit einem belebenden Kontrast.

Die Sauna untergebracht unter dem Dach © Wilmina Hotel
Die Sauna untergebracht unter dem Dach © Wilmina Hotel
Erfrischender Pool auf der Dachterrasse, wenige Schritte von der Sauna entfernt © Wilmina Hotel
Erfrischender Pool auf der Dachterrasse, wenige Schritte von der Sauna entfernt © Wilmina Hotel

Stille Allianzen statt Labels

Wer ein zukunftsweisendes Konzept erwartet, wird im Wilmina keine Hinweisschilder oder Zertifikate finden. Die Entscheidung, sich nachträglich zertifizieren zu lassen – mit dem GreenSign-Siegel – war vor allem ein interner Schritt. “Für uns selbst. Um Prozesse zu reflektieren und messbar zu machen.” Öffentlichkeitswirksam eingesetzt wird das Label nicht. Laute Kommunikation passt nicht zum Haus.

Stattdessen ist Umweltverträglichkeit fest in der DNA des Hotels verankert – und bleibt für manche Gäste unbemerkt: Matratzen aus reinen Naturmaterialien, gefertigt in Europa von einem Familienbetrieb mit transparenten Lieferketten. Badtextilien, die von einem Berliner Start-up stammen. Säfte, Marmeladen, Gebäck: hausgemacht, saisonal, lokal. Die Lovis Bar komponiert Drinks aus Aromen statt aus bekannten Marken. Beim Frühstück sucht man tropische Früchte vergeblich – dafür schmeckt man Berlin. Der Verzicht auf große Worte ist Teil einer Haltung. Einer, die Respekt zeigt – vor den Gästen, den Partnern und dem eigenen Anspruch. Und oft ist es genau dieses Unaufgeregte, das den verantwortungsvollsten Eindruck hinterlässt.

Lovis Bar © Zoe Spawton
Lovis Bar © Zoe Spawton

Herausforderungen, die man nicht sieht

Zukunftsorientiertes Handeln im Wilmina ist kein Hochglanzversprechen – und auch kein System, das überall reibungslos funktioniert. Vieles entsteht aus Überzeugung, manches aus Improvisation. “Wir sind kein großer Konzern mit eigener Einkaufsabteilung”, verrät der Hoteldirektor. “Wir arbeiten mit kleinen Partnerbetrieben, sprechen viel, suchen gemeinsam Lösungen. Es ist ein ständiger Prozess.”

Gerade die Zusammenarbeit mit lokalen Produzent:innen erfordert Geduld und gegenseitiges Vertrauen. Nicht alles läuft nach Plan, nicht jede Idee lässt sich sofort umsetzen – sei es wegen Zeit, Ressourcen oder schlicht, weil der Alltag dazwischenkommt. "Manchmal kostet es mehr, dauert länger, oder ist schlicht komplizierter”, sagt Boehme. “Aber es fühlt sich richtiger an.”

Wilimina Brot © Chris Abatzis
Wilimina Brot © Chris Abatzis

Wachsen mit Sinn

Vieles ist in Bewegung. Im Wilmina Brot in der Kantstraße wird seit September 2024 fürs Hotel und die Nachbarschaft täglich frisches Brot gebacken. Auf dem Dach des Neubaus ist gerade ein Garten entstanden – inklusive Workshops für Berliner Schulkinder. Dies geschieht in Kooperation mit der Initiative Roots & Shoots der Jane-Goodall-Stiftung, die Kinder und Jugendliche weltweit dazu ermutigt, sich für Menschen, Tiere und die Umwelt zu engagieren.. Der Strom soll künftig teils über Solarpanels erzeugt werden, Regenwasser wird gesammelt, die Begrünung Stück für Stück erweitert.

Auch im Kleinen wird weitergedacht. So soll in den Zimmern demnächst Mülltrennung eingeführt werden – ein unterschätztes Thema in der internationalen Hotellerie. “Selbst wenn es nur ein Teil der Gäste mitträgt, ist das ein Schritt in die richtige Richtung”, so Boehme. Überhaupt geht es nie um Perfektion. Sondern um Haltung, um langfristiges Denken – und um die Bereitschaft, immer wieder neu zu justieren. Step by step, ohne Abkürzungen. Oder wie Boehme sagt: “Lieber kleine Schritte, aber dafür richtig.”

Bepflanzung des Dachgartens auf dem Neubau © Wilmina Hotel
Bepflanzung des Dachgartens auf dem Neubau © Wilmina Hotel

Illustration Image © Slowdown Hotels

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