The St. Regis Lhasa Resort

Umstrittene Territorien sind selten als Standort für High-End-Hotelerie geeignet. Lhasas Hotelszene beweist, dass es keine Regel ohne Ausnahme gibt. Diese Ausnahme könnte ein Zeichen für eine aufkeimende Veränderung der Stimmung sein. Dass eine Marke wie das St. Regis hier überhaupt existieren kann, ist schon ein positiver Beweis dafür. Diese Marke könnte sogar davon profitieren, sich ein oder zwei Schritte aus der Komfortzone bewegt zu haben. Kein einziger Ausblick auf der Erde kann mit der beeindruckenden Größe des Himalayas mithalten. In seinem Kern bleibt man sich auch in diesem Haus seiner neutralen Schönheit treu, was als eine Art Erleichterung für den robusten Einheimischen, den müden Reisenden und den von der Straße erschöpften Pilger dient; eine Art Hattrick der Gastlichkeit.

Der nach außen sichtbare Charme lässt die richtigen Töne anklingen: eine Mischung aus lichtdurchflutetem Umbra, geschwungenen Dächern und der richtigen Anzahl kerzenerleuchteter Fenster. Die Fenster sind sowieso mit das Beste, weil es nichts Schlimmeres gäbe, als den Gästen dieses legendäre, klare Licht der Berge vorzuenthalten. Auf Schritt und Tritt ist man hier fasziniert von der das Hotel umgebenden Natur. Drinnen treffen Einrichtungsgegenstände aus Metall auf geometrisch an der Wand angebrachte Soundsysteme, die hervorragend zu den vermutlich bald auf Pinterest erscheinenden Regal- und Nippes-Arrangements passen. Die Opulenz kommt zu ihrem harmonischen und erdfarbenen Höhepunkt in den Speiseräumen, von denen es drei gibt. Um durchkonzeptionierte, tibetische Küche zu probieren, muss man ins Si Zi Kang gehen, im Yan Ting gibt es regionale chinesische Küche und im Social erwartet den hungrigen Gast das obligate Buffet. Allerdings gibt es hier noch die Möglichkeit, an den angebotenen tibetischen Kochkursen teilzunehmen. Ein Teezimmer und eine Weinbar runden das gastronomische Angebot ab.

Die Zimmer streben nach einem klaren Minimalismus und mögen dem einen oder anderen zu ruhig sein; warme Beleuchtung und Holzarbeiten konspirieren hier, um die Stimmung, vor allem bei Dunkelheit, noch weiter aufzuwerten. Sie werden von plüschigen Kissen und wollenen Teppichen sowie unaufdringlichen Mustern vor der Ernsthaftigkeit gerettet. Es gibt auch noch die üblichen Annehmlichkeiten wie iPod-Dockingstationen, kostenloses W-LAN und Flachbildfernseher. Aber selbst die gerahmten Werke, die tibetische Landschaftsmotive zeigen, können den Hauch von Beige nicht ganz überwinden. Allerdings sollte man sich sowieso lieber im Iridium Spa aufhalten und seine Zeit mit Massagen, Pilates oder im Golden Energy Pool – eine Mischung aus schwefelgelbem Clublicht und Tibets vermutlich einzigen Sitzmöbeln im Cabana-Stil – verbringen. Dieser Pool ist eine der interessanteren Überraschungen hier. Man sollte jedoch gewisse Maßnahmen ergreifen, bevor man sich sportlich betätigt, um Höhenkrankheit (Lhasas größte Herausforderung) zu vermeiden.