Wine 5 Minuten 15 September 2025

Von Warschau bis Sopot: Bühne frei für Polens Weine

Von Schaumwein bis Pinot: Polens Restaurants setzen auf heimische Weine.

„Möchten Sie vor dem Abendessen ein Glas Schaumwein trinken? Die Antwort auf diese Frage lautet für mich in der Regel „Ja“. Ich sitze im Restaurant Wandal, einem der jüngsten Zugänge zur Gastronomieszene in Warschau, auf dessen Karte Neuinterpretationen klassischer polnischer Speisen stehen. Der Sommelier kommt mit einer Flasche zurück, die einen eindeutig polnisch klingenden Namen trägt: Blask, was in etwa „Glanz“ bedeutet. Es stellt sich heraus, dass es sich um einen traditionell gefertigten, auf Hefe gelagerten trockenen Schaumwein aus Chardonnay und Pinot Noir handelt, der in Polen und aus polnischen Weinreben hergestellt wird.

Noch vor ein paar Jahren wäre das vielleicht eine Überraschung gewesen. Doch heute scheint es in polnischen Restaurants durchaus üblich zu sein, polnische Weine zu führen – eine weitere Art, die Vielfalt des regionalen Angebots hervorzuheben.

Dwor Sanna im Restaurant Le Braci und der Schaumwein Blask im Restaurant Wandal. © Le Braci, Malgorzata Minta
Dwor Sanna im Restaurant Le Braci und der Schaumwein Blask im Restaurant Wandal. © Le Braci, Malgorzata Minta

Renaissance einer mittelalterlichen Kunst

Polen mag für so einiges bekannt sein, aber sicher nicht für seine Weinproduktion. Historischen Aufzeichnungen zufolge wurde jedoch auf seinem aktuellen Territorium bereits im Mittelalter Wein hergestellt, wobei sich die meisten Anbauflächen im Südosten und Südwesten des heutigen Polens befanden. Im 16. und 17. Jahrhundert ging der Weinanbau aufgrund einer Abkühlung des Klimas zurück, durch die der Wein Schwierigkeiten hatte, zu wachsen und Früchte zu tragen. Ende des 20. Jahrhunderts lebte das alte Handwerk dank kühner und abenteuerlustiger Enthusiasten und ihrer kreativen Ideen jedoch wieder auf.

In nur 30 Jahren wuchs die polnische Weinszene von einer Handvoll Projekten auf 700 lizenzierte Kellereien. Zwar mag die Zahl beeindruckend erscheinen, bei den meisten handelt es sich jedoch bisher noch um kleine Unternehmen, die nur wenige Hektar Land bestellen, und die Weinbaugebiete des Landes bedecken insgesamt weniger als 1 200 Hektar. Dennoch werden immer mehr Weingüter nicht nur als Hobby geführt, sondern als solides Geschäft, für das Flächen von über 10 Hektar angestrebt werden.

Weinberg am Silberberg bei Krakau mit den Türmen des Kamaldulenser-Klosters im Hintergrund. © Tomeyki/iStock
Weinberg am Silberberg bei Krakau mit den Türmen des Kamaldulenser-Klosters im Hintergrund. © Tomeyki/iStock
Kamil Barczentewicz mit einem Glas Chardonnay vor den Eichenfässern. © Winnica Kamil Barczentewicz
Kamil Barczentewicz mit einem Glas Chardonnay vor den Eichenfässern. © Winnica Kamil Barczentewicz

Von Hybridreben zu Riesling

„Zu Anfang der neuen polnischen Weinherstellung dominierten als hybrid eingestufte Rebsorten, die weniger verbreitet sind und andere Aromen entfalten als die meisten bekannten Vitis-vinifera-Reben. Diese gelten jedoch als hervorragende Option für ein kühleres Klima. Wir sprechen hier über Sorten wie Johanniter, Solaris, Seyval Blanc, bei den Weißweinen und bei Rotweinen Rondo oder Regent“, so Maciej Nowicki, Weinjournalist, Redakteur bei Ferment Magazine und ein großer Liebhaber polnischen Weins. „Mit der zunehmenden Reife des Marktes werden die Produzenten immer mehr klassische Weine anbauen, die sich auf polnischem Boden als erfolgreich erwiesen haben. Die beliebtesten Vitis-vinifera-Sorten in Polen sind Riesling und Pinot Noir, die sehr schöne Weine hervorbringen.“

Polnische Weine im Buffet KRK und im Le Braci. © bufet, Le Braci
Polnische Weine im Buffet KRK und im Le Braci. © bufet, Le Braci

Der Aufstieg des polnischen Weins

Piotr Pietras, zertifizierter Master Sommelier, Weinimporteur und Gastronom stimmt dem zu: „Als ich in London gearbeitet habe, etwa zwischen 2013 und 2019, habe ich sowohl Proben von Herstellern als auch einzelne Flaschen polnischen Weins von Freunden und Kollegen in Polen bekommen. Es waren in der Tat ein paar interessante Weine dabei, doch in Bezug auf die Qualität blieben sie weit hinter dem europäischen Standard zurück. Ein Großteil der Weine stammte aus so genannten Hybridreben statt aus edlen Rebsorten.“

Pietras, der Mitbesitzer des mit Bib Gourmand ausgezeichneten Warschauer Bistros kontakt und des jüngst eröffneten Wandal ist, erinnert sich: „Zu der Zeit stand ich dem Ganzen recht skeptisch gegenüber. Ich habe den Eindruck, die Wende fand statt, als ich vor sechs oder sieben Jahren wieder [nach Polen] zurückgekommen bin. Meiner Meinung nach hat sich zu dem Zeitpunkt ein großer Wandel vollzogen und die Qualität ist deutlich gestiegen.“

Als Pietras sein erstes Restaurant, kontakt, eröffnete, hat er an Weinliebhaber gedacht, und stets polnische Erzeugnisse in sein Angebot aufgenommen, die flaschenweise oder im Glas ausgeschenkt werden. In seinem neuen Restaurant, dem Wandal, das er gemeinsam mit Küchenchef Adrian Beben gegründet hat, machen polnische Weine einen Großteil der Weinkarte aus. Zum Aperitif können die Gäste Champagner oder Crémant wählen, oder aber nach polnischer Art traditionell hergestellte Schaumweine. Zum Essen gibt es einen extratrockenen Riesling vom Winnica Marcinowice im Westen Polens oder einen Pinot Blanc vom Winnica Kamil Barczentewicz im südöstlichen Teil des Landes.

„Polnische Weine auf die Karte zu setzen, erschien mir als Ehrensache“, so Pietras. „Da wir uns entschlossen hatten, uns auf polnische Produkte zu spezialisieren, haben wir uns auch verpflichtet gefühlt, gute polnische Weine zu servieren. Angesichts der Tatsache, dass mein Name auch auf der Karte steht und ich die Weine quasi ausschenke, war die Hauptbedingung dafür jedoch, dass diese den anderen Schaumweinen in unserem Angebot qualitätsmäßig in nichts nachstehen.“

Das ist jetzt einfacher als vor zehn Jahren. „Wir bieten Champagner, Crémant d’Alsace sowie Sekt aus Österreich und Deutschland an, deshalb wollten wir ebenso markante polnische Weine. Und das ist inzwischen durchaus möglich. Hochwertigen polnischen Wein zu finden, ist heute kein Kunststück mehr“, so Pietras. „Selbst wenn es nur um Schaumweine geht, kann man eine Karte ausschließlich aus polnischen Flaschen zusammenstellen: ohne Jahrgang, Jahrgangswein, Rosé, Blanc de Blancs, Blanc de Noirs. Und genau das haben wir getan: Wir haben eine Karte von acht oder neun flaschenweise angebotenen Schaumweinen ausgearbeitet, um zu zeigen, dass es inzwischen eine echte Vielfalt mit stilistischen Unterschieden gibt und man seine Gäste mit etwas Neuem überraschen kann.

Riesling aus der Winnica Marcinowice mit einem verlockenden Gericht. © Malgorzata Minta
Riesling aus der Winnica Marcinowice mit einem verlockenden Gericht. © Malgorzata Minta

Perfekte Partner für die regionale Küche

Pietras zufolge lassen sich polnische Weine besonders gut mit Speisen kombinieren. „Natürlich kann man es nicht einfach verallgemeinern, doch die meisten polnischen Weine sind eher leicht, ausgewogen und frisch. Die wenigsten riskieren, die Speisen mit ihren Aromen zu erdrücken. Andererseits gibt es in Polen ausgezeichnete süße Weine, die in ihrer Struktur und ihrem Geschmack eher kraftvoll sind. Am meisten begeistern mich unsere Eisweine und unsere edlen Rotweine.“

Nowicki ist der gleichen Meinung. „Man sagt häufig, dass sich Speisen aus einer bestimmten Region am besten mit Weinen aus der gleichen Region kombinieren lassen. Denn die Zutaten stammen schließlich vom gleichen Terroir wie die Reben“, erklärt er. „Und deshalb bin ich der festen Überzeugung, dass man polnische Küche und polnischen Wein wunderbar zusammenbringen kann, wenn man eine gute Flasche findet.“

Auf die Frage nach ein paar Beispielen für seine bevorzugten Kombinationen, erwidert Nowicki: „Für Gerichte mit Kohl würde ich einen trockenen, strukturierten Riesling wählen. Zu herbstlichen Speisen mit Waldpilzen, einem typischen Produkt der polnischen Herbstküche, einen Pinot Noir. Abrunden würde ich das Ganze mit einem traditionellen polnischen Käsekuchen und einem süßen Solaris, z. B. einem szlachetny zbiór (edle Ernte) vom Winnica Turnau.“

Mit der Entwicklung der Weinindustrie Polens wird sich auch das Weinangebot des Landes vergrößern, wodurch die Sommeliers immer umfassendere Möglichkeiten haben.

Die Weine und das Interieur des Restaurants Źródło in Warschau. © Adrian Górniak
Die Weine und das Interieur des Restaurants Źródło in Warschau. © Adrian Górniak

Von Warschau bis Sopot: Hier kosten Sie Weine aus Polen

In Warschau sollten Weinkenner in das Źródło gehen, eine Weinbar mit Bistro, die auf polnische Weine spezialisiert ist. Vor allem Liebhaber von natürlichen und mazerierten Weinen kommen hier auf ihre Kosten. Ein weiteres Muss ist das mit Bib Gourmand ausgezeichnete Le Braci, wo moderne italienische Küche nicht nur mit großen italienischen Weinen, sondern auch mit unprätentiösen polnischen Tropfen kombiniert wird. Im Bez Gwiazdek werden traditionelle regionale Gerichte neu interpretiert und mit Weinen kleiner polnischer Produzenten gepaart. Auch im jüngst mit MICHELIN Stern ausgezeichneten Restaurant  hub.praga, das hyperlokale Zutaten in den Mittelpunkt stellt, und im Nuta, ebenfalls mit einem MICHELIN Stern ausgezeichnet, das von Küchenchef Andrea Camastra geführt wird, spielen polnische Weine eine wichtige Rolle. Ansonsten können wir für einen preisgekrönten Wein noch das Dyletanci empfehlen, dessen Sommeliers, Jan Winiarski und Aleksandra Harabasz, gemeinsam mit dem Sommelier of the Year Award 2025 des Guide MICHELIN geehrt wurden. Neben verblüffenden Burgundern und Champagnern präsentieren sie Ihnen umwerfende polnische Weine aus der Gegend an der Weichsel in Kleinpolen.

In Poznań sollten alle, die sich für aufstrebende Weinbaugebiete interessieren, das SPOT. besuchen, einen der Vorreiter in Bezug auf polnische Weine. Dieses mit Bib Gourmand ausgezeichnete Restaurant ist auch für das jährlich dort veranstaltete polnische Weinfestival „Polskie Korki“ bekannt. Um einen Eindruck davon zu gewinnen, wie polnische Weine sich mit klassischen polnischen Gerichten kombinieren lassen, empfehlen wir Ihnen das Bufet KRK in Krakau, eine belebte moderne Brasserie von Küchenchef Przemysław Klima, der auch die Küche des einzigen 2-Sterne-Restaurants in Polen, dem Bottiglieria 1881, leitet. Und in Sopot steht im Vinissimo der Wein im Mittelpunkt: Dort werden zu einer international inspirierten Bistro-Küche polnische Weine gereicht.

Es sei auch erwähnt, dass polnische Weine nicht nur den führenden Gastronomiekreisen vorbehalten sind. Sie sind vielmehr auch in Frühstückslokalen, Bäckereien oder sogar bei der Pizzeria um die Ecke erhältlich. „Vor zehn Jahren hätte man sagen können, dass es sich vielleicht nur um eine Modeerscheinung handelt. Aber inzwischen gehört er in der Gastronomie dazu wie österreichischer Wein in Österreich oder deutscher Wein in Deutschland“, meint Nowicki. „Wer in der Gastronomie ernstgenommen werden möchte, muss mindestens einen polnischen Wein auf der Karte stehen haben.“

Für alle, die immer noch zögern, hat der Weinexperte Nowicki ein überzeugendes Argument für das polnische Terroir parat: „Ich sehe häufig im Ausland polnische Weine auf der Karte, insbesondere solche, die aus edlen Reben gewonnen werden, Sorten, die in anderen Ländern bekannt sind – denn mit dem einmaligen polnischen Terroir bieten sie etwas Neues zum Ausprobieren.“ Ferner fügt er hinzu: „Dies ist bereits der Fall und man kann polnische Weine auf den Weinkarten von mit MICHELIN Stern ausgezeichneten Restaurants im Ausland finden.“ Zum Beispiel stehen auf der Weinkarte des mit einem MICHELIN Stern gewürdigten Restaurants KOL in London, das vom mexikanischen Küchenchef Santiago Lastra geführt wird, Weine der polnischen Winzerei Dom Bliskowice auf der Karte. Im nahe gelegenen, von Küchenchef Rafael Cagalie geleiteten Restaurant Da Terra mit zwei MICHELIN Sternen kann man das Angebot der Winnica Silesian entdecken, ein Zeichen, dass polnische Weine auch weit über die Landesgrenzen hinaus an Bedeutung gewinnen.

Vielleicht ist dies auch für Sie eine Einladung, nach Polen zu reisen, einen polnischen Wein in seinem natürlichen Umfeld zu kosten, zusammen mit Kreationen lokaler Küchenchefs. Es ist nicht von der Hand zu weisen, polnischer Wein hat eine spannende Zukunft vor sich.



Hero Image:  Weine von Winnica Kamil Barczentewicz im Sternerestaurant hub.praga in Warschau. © hub.praga

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